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Sozialpolitik am Abgrund: Wer nicht arbeitet, soll auch keine Leistungen erhalten
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„Wer arbeiten kann, muss arbeiten gehen, ansonsten gibt es keine Sozialleistungen“ – das sagte die Tage CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Damit wird deutlich, worauf es bei einer CDU-angeführten Regierung hinauslaufen wird. Sozialpolitik am Abgrund. Linnemanns Positionierung kommt einer Abschaffung des deutschen Sozialstaatsprinzips gleich. Vordergründig mag die markige Aussage einleuchten – sie geht aber an der Realität vorbei. Und geschichtsvergessen ist sie obendrauf. Ein Stück Stammtischdampfplauderei mit autoritärem Gehabe. Zur Lösung der schweren Probleme im Land trägt sie nichts bei, bedient aber den Geist der Spaltung. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Einmal Macht haben. Einmal darüber bestimmen zu können, wie im Land die Politik auszusehen hat. Einmal in der Lage zu sein, gegen unliebsame Gruppen vorzugehen. Seit langem haben Teile der deutschen Politik ein Feindbild im Innern des Landes ausgeprägt. Während für viele Parlamentarier auf außenpolitischer Ebene Russland das Feindbild ist, sind es im Innern die Armen. Oder genauer: die faulen Arbeitslosen. Das faule Gesindel. Die Sozialschmarotzer. Die, die den ganzen Tag in der „sozialen Hängematte“ liegen und sich auf Kosten des anständigen und fleißig arbeitenden Teils der Bevölkerung ein schönes Leben machen. Es versteht sich von selbst, dass jene Politiker, die mit dem Finger auf ihr Feindbild zeigen, sich dem fleißig arbeitenden Teil des Landes zuordnen.
Wir alle kennen die ganze Litanei, die in hochdosierter Form seit Gerhard Schröders Agenda 2010 im Zuge der neoliberalen Exzesspolitik im ganzen Land zu hören war. Mit einer Verachtung und einer Stimmungsmache, die ihresgleichen sucht, hat die Speerspitze des Neoliberalismus in Deutschland das Land gegen die Armen ausgerichtet. Die Politik der Vorurteile fiel auf fruchtbaren Boden. Ein Teil der Bevölkerung hatte ohnehin schon selbst das Feindbild Arme ausgemacht. Hier: Wir, die arbeiten. Da: Die, die faul sind. So die Perspektive. Da musste die Politik nur noch ein wenig zielgenauer die Ressentiments gießen und schon ging die Saat auf. Das ist über 20 Jahre her. Doch geändert hat sich nichts.
Wer Linnemann hört, weiß: Die Vorurteile gegenüber den Armen sind fest in so manchem Kopf verankert. Locker, flockig geht dem Generalsekretär der Christdemokraten die Aussage über die Lippen: „Wer arbeiten kann, muss arbeiten gehen, ansonsten gibt es keine Sozialleistungen.“
Jede Wette: Ein Teil der Bevölkerung applaudiert sofort. Endlich sagt es mal einer! Klipp und klar. So dürfte der Tenor lauten. Damit zeigt sich wieder einmal: Wo Vorurteil, Neid und Verachtung vorherrschen, tritt der Verstand zurück.
Sicher, wer wollte ernsthaft bestreiten, dass es im Land nicht auch faule Menschen gibt, die, wie man so sagt, dem Staat auf der Tasche liegen. Doch, und darauf kommt es an: Diese Leute mögen für die Gesellschaft ein Ärgernis sein – ein ernsthaftes Problem sind sie nicht. Schon gar nicht für ein im Prinzip reiches Land wie Deutschland.
Bei einer Staatsverschuldung von 2.500 Milliarden Euro, bei enormen „Unterstützungen“ für Länder im Krieg, bei dem Willen, den Rüstungsetat immer auszubauen, bei einer ungezügelten Zuwanderung in das Sozialsystem und vielem mehr, was es zu beachten gilt, liegen die Probleme an anderer Stelle als bei einigen Arbeitsunwilligen. Die Politik weiß das selbst. Aber die Fokussierung auf das Feindbild Arbeitslose lenkt den Blick von der katastrophalen Politik ab. Eine katastrophale Politik, die bei der Umsetzung von Linnemanns Vorschlag weiter ausgebaut würde.
Was würde passieren, wenn die Vorstellung des Christdemokraten umgesetzt wird?
Die Auswirkungen sowohl auf die Armen als auch die Gesellschaft wären verheerend. Hinter Linnemanns Annahme steckt ein autoritärer Ansatz. Bist Du nicht willig, dann eben mit Gewalt. Das ist eine Bankrotterklärung der Politik. Und aus menschlicher Sicht ohnehin eine Schweinerei. Denn: Der Übergang zwischen tatsächlich Faulen und Transferleistungsbeziehern, die aus Gründen keine Arbeit aufnehmen können, ist fließend. Wie wollte ein Staat, der nach Linnemann seine Sozialpolitik ausrichtet, hier rausfinden, wer tatsächlich arbeiten kann und wer nicht? Sollen Gutachter – mit all den schweren Defiziten, die von Gutachten bekannt sind – darüber entscheiden? Ähnlich wie Gerichte mit dem Recht alles begründen können, können Gutachter auch jede Beurteilung begründen. Da kann sehr schnell einem feinfühligen, psychisch schwer angeschlagenen Menschen bei einer falschen Antwort volle Arbeitsfähigkeit bescheinigt werden. Am Ende muss er dann arbeiten – auch wenn er dabei draufgeht. Dass Deutschland über einen breit aufgestellten Sozialstaat verfügt, hat historische Gründe. Die schweren gesellschaftlichen Verwerfungen in der Weimarer Zeit mit Armut und Perspektivlosigkeit haben mit zum Aufstieg der Nazis beigetragen. Im Nachgang war eine der Lehren der Bundesrepublik aus dieser Zeit, dass Bürger in diesem Land immer ein gewisses Auskommen haben sollten – getragen vom Staat.
Bei der Umsetzung von Linnemanns Vorschlag wird ein großer Teil der Leistungsbezieher dem Druck nicht gewachsen sein. Sie werden in die volle Armut fallen. Wie es aussieht, wenn kein soziales Netz mehr aufgespannt ist, wird in den USA deutlich. Obdachlosigkeit auf den Straßen, Kriminalität und überfüllte Gefängnisse. Linnemanns Politik mag am Stammtisch punkten. Der komplexen Realität in einer Gesellschaft wird sie nicht gerecht. Im Juli hat sich Jens Berger schon mit Linnemanns Grundhaltung auseinandergesetzt. Damals hatte der CDU-Politiker bei Markus Lanz auch schon seine Überzeugung kundgetan. Berger kommentierte: Linnemann sei „wirtschaftsliberal bis ins Mark, gesellschaftspolitisch reaktionär. Er ist zudem ein Populist, wie er im Buche steht.“ Wer wollte dem widersprechen?
In Anbetracht der Aussagen Linnemanns möchte man nur noch anmerken: Er möge sich, bitte, aus der Politik zurückziehen. Politische Dampfplauderei gibt es ohnehin genug.
Titelbild: PR-PhotoDesign/shutterstock.com
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„Wer arbeiten kann, muss arbeiten gehen, ansonsten gibt es keine Sozialleistungen“ – das sagte die Tage CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Damit wird deutlich, worauf es bei einer CDU-angeführten Regierung hinauslaufen wird. Sozialpolitik am Abgrund. Linnemanns Positionierung kommt einer Abschaffung des deutschen Sozialstaatsprinzips gleich. Vordergründig mag die markige Aussage einleuchten – sie geht aber an der Realität vorbei. Und geschichtsvergessen ist sie obendrauf. Ein Stück Stammtischdampfplauderei mit autoritärem Gehabe. Zur Lösung der schweren Probleme im Land trägt sie nichts bei, bedient aber den Geist der Spaltung. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Einmal Macht haben. Einmal darüber bestimmen zu können, wie im Land die Politik auszusehen hat. Einmal in der Lage zu sein, gegen unliebsame Gruppen vorzugehen. Seit langem haben Teile der deutschen Politik ein Feindbild im Innern des Landes ausgeprägt. Während für viele Parlamentarier auf außenpolitischer Ebene Russland das Feindbild ist, sind es im Innern die Armen. Oder genauer: die faulen Arbeitslosen. Das faule Gesindel. Die Sozialschmarotzer. Die, die den ganzen Tag in der „sozialen Hängematte“ liegen und sich auf Kosten des anständigen und fleißig arbeitenden Teils der Bevölkerung ein schönes Leben machen. Es versteht sich von selbst, dass jene Politiker, die mit dem Finger auf ihr Feindbild zeigen, sich dem fleißig arbeitenden Teil des Landes zuordnen.
Wir alle kennen die ganze Litanei, die in hochdosierter Form seit Gerhard Schröders Agenda 2010 im Zuge der neoliberalen Exzesspolitik im ganzen Land zu hören war. Mit einer Verachtung und einer Stimmungsmache, die ihresgleichen sucht, hat die Speerspitze des Neoliberalismus in Deutschland das Land gegen die Armen ausgerichtet. Die Politik der Vorurteile fiel auf fruchtbaren Boden. Ein Teil der Bevölkerung hatte ohnehin schon selbst das Feindbild Arme ausgemacht. Hier: Wir, die arbeiten. Da: Die, die faul sind. So die Perspektive. Da musste die Politik nur noch ein wenig zielgenauer die Ressentiments gießen und schon ging die Saat auf. Das ist über 20 Jahre her. Doch geändert hat sich nichts.
Wer Linnemann hört, weiß: Die Vorurteile gegenüber den Armen sind fest in so manchem Kopf verankert. Locker, flockig geht dem Generalsekretär der Christdemokraten die Aussage über die Lippen: „Wer arbeiten kann, muss arbeiten gehen, ansonsten gibt es keine Sozialleistungen.“
Jede Wette: Ein Teil der Bevölkerung applaudiert sofort. Endlich sagt es mal einer! Klipp und klar. So dürfte der Tenor lauten. Damit zeigt sich wieder einmal: Wo Vorurteil, Neid und Verachtung vorherrschen, tritt der Verstand zurück.
Sicher, wer wollte ernsthaft bestreiten, dass es im Land nicht auch faule Menschen gibt, die, wie man so sagt, dem Staat auf der Tasche liegen. Doch, und darauf kommt es an: Diese Leute mögen für die Gesellschaft ein Ärgernis sein – ein ernsthaftes Problem sind sie nicht. Schon gar nicht für ein im Prinzip reiches Land wie Deutschland.
Bei einer Staatsverschuldung von 2.500 Milliarden Euro, bei enormen „Unterstützungen“ für Länder im Krieg, bei dem Willen, den Rüstungsetat immer auszubauen, bei einer ungezügelten Zuwanderung in das Sozialsystem und vielem mehr, was es zu beachten gilt, liegen die Probleme an anderer Stelle als bei einigen Arbeitsunwilligen. Die Politik weiß das selbst. Aber die Fokussierung auf das Feindbild Arbeitslose lenkt den Blick von der katastrophalen Politik ab. Eine katastrophale Politik, die bei der Umsetzung von Linnemanns Vorschlag weiter ausgebaut würde.
Was würde passieren, wenn die Vorstellung des Christdemokraten umgesetzt wird?
Die Auswirkungen sowohl auf die Armen als auch die Gesellschaft wären verheerend. Hinter Linnemanns Annahme steckt ein autoritärer Ansatz. Bist Du nicht willig, dann eben mit Gewalt. Das ist eine Bankrotterklärung der Politik. Und aus menschlicher Sicht ohnehin eine Schweinerei. Denn: Der Übergang zwischen tatsächlich Faulen und Transferleistungsbeziehern, die aus Gründen keine Arbeit aufnehmen können, ist fließend. Wie wollte ein Staat, der nach Linnemann seine Sozialpolitik ausrichtet, hier rausfinden, wer tatsächlich arbeiten kann und wer nicht? Sollen Gutachter – mit all den schweren Defiziten, die von Gutachten bekannt sind – darüber entscheiden? Ähnlich wie Gerichte mit dem Recht alles begründen können, können Gutachter auch jede Beurteilung begründen. Da kann sehr schnell einem feinfühligen, psychisch schwer angeschlagenen Menschen bei einer falschen Antwort volle Arbeitsfähigkeit bescheinigt werden. Am Ende muss er dann arbeiten – auch wenn er dabei draufgeht. Dass Deutschland über einen breit aufgestellten Sozialstaat verfügt, hat historische Gründe. Die schweren gesellschaftlichen Verwerfungen in der Weimarer Zeit mit Armut und Perspektivlosigkeit haben mit zum Aufstieg der Nazis beigetragen. Im Nachgang war eine der Lehren der Bundesrepublik aus dieser Zeit, dass Bürger in diesem Land immer ein gewisses Auskommen haben sollten – getragen vom Staat.
Bei der Umsetzung von Linnemanns Vorschlag wird ein großer Teil der Leistungsbezieher dem Druck nicht gewachsen sein. Sie werden in die volle Armut fallen. Wie es aussieht, wenn kein soziales Netz mehr aufgespannt ist, wird in den USA deutlich. Obdachlosigkeit auf den Straßen, Kriminalität und überfüllte Gefängnisse. Linnemanns Politik mag am Stammtisch punkten. Der komplexen Realität in einer Gesellschaft wird sie nicht gerecht. Im Juli hat sich Jens Berger schon mit Linnemanns Grundhaltung auseinandergesetzt. Damals hatte der CDU-Politiker bei Markus Lanz auch schon seine Überzeugung kundgetan. Berger kommentierte: Linnemann sei „wirtschaftsliberal bis ins Mark, gesellschaftspolitisch reaktionär. Er ist zudem ein Populist, wie er im Buche steht.“ Wer wollte dem widersprechen?
In Anbetracht der Aussagen Linnemanns möchte man nur noch anmerken: Er möge sich, bitte, aus der Politik zurückziehen. Politische Dampfplauderei gibt es ohnehin genug.
Titelbild: PR-PhotoDesign/shutterstock.com
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